Ausstellung „Holocaust: Vernichtung, Befreiung, Rettung“
Das Ausstellungsvorhaben „Holocaust: Vernichtung, Befreiung, Rettung“ des Russischen Forschungs- und Bildungszentrums „Holocaust“ zeigt auf der Basis einzigartiger Dokumente und Fotografien den Maßstab und die Besonderheiten, die den Holocaust in den besetzten Gebieten der Sowjetunion kennzeichnen. Die Ausstellung wurde mit Unterstützung des Russischen Jüdischen Kongresses und des Außenministeriums der Russischen Föderation, der Föderalen Agentur Rossotrudnitschestwo, des Zentrums für Holocaust- und Genozidforschung der Staatlichen Russischen Universität für Geisteswissenschaften sowie der Claims Conference ermöglicht. Die Umsetzung des Projekts erfolgte mit Fördermitteln des Präsidenten der Russischen Föderation für zivilgesellschaftliche Entwicklung bereitgestellt durch die Stiftung „Fond Presidentskich Grantow“.
Die erstmalige Präsentation der Ausstellung erfolgte 2016 anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages in der Staatsduma der Russischen Föderation im Beisein der Fraktionsführer. Im darauffolgenden Jahr wurde die Ausstellung durch den russischen Außenminister Sergej Lawrow im Außenministerium der Russischen Föderation eröffnet. Die Ausstellung wurde in mehrere Sprachen übersetzt (Englisch, Hebräisch, Spanisch sowie Tschechisch) und am 18. Januar 2018 im Stabquartier der Vereinten Nationen in New York gezeigt. Weitere Stationen waren 2018 das Parlament der Tschechischen Republik (18. April), die Knesset (8. Mai), der Argentinische Nationalkongress (21. Mai), das Parlament von Uruguay (21. Juni) sowie der Europarat (3. Juli) und die UNESCO (6. Juli).
Für die Präsentation im Ausland wurde vom Russischen Bildungs- und Forschungszentrum „Holocaust“ 2017 eine neue, die bestehende ergänzende Variante der Wanderausstellung erarbeitet. Die deutsche Fassung der Ausstellung wurde unter Mitwirken von Dr. Christina Winkler erarbeitet. An der Zusammenstellung der biographischen Informationen über die Befreier nahmen zahlreiche Pädagogen und Schüler sowie Einheimische und Einwohner vieler Regionen Russlands teil.
Folgende Archive, Stiftungen und Museen Russlands, Deutschlands, Frankreichs und der Ukraine haben unentgeltlich ihre Dokumente und Fotos für die Ausstellung zur Verfügung gestellt: Militärmedizinisches Archiv (VMM), Sankt Petersburg; Staatsarchiv der Russischen Föderation (GA RF); Staatliches Archiv des Kaluger Gebiets (GAKO); Vereinjgtes Museum des Twerer Gebiets (TGOM); Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation (CAMO); Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes (CA FSB); Zentrales Museum des Großen Vaterländischen Krieges (CM VOV); Stiftung Babij Jar (FBJ), Kiew, Ukraine; RIA Novosti; Stiftung Anne Frank (AFF), Basel, Schweiz; Leo Baeck Institut (LBI), Berlin, Deutschland; Internationaler Suchdienst (ITS), Deutschland, sowie das Archiv des Zentrums „Holocaust“ (AZH).
Das Design der Ausstellung stammt von Pawel Romanow (Moskau).
Historischer Hintergrund
Im Sommer 1941 begann in den besetzten Gebieten der Sowjetunion die totale Vernichtung der jüdischen Bevölkerung, und die Opferzahl von etwa 2 700 000 macht etwa 45% der Gesamtzahl aller ermordeten Juden Europas aus. In der Ausstellung werden kaum bekannte Fakten und Dokumente über die Vernichtung und Rettung von Juden auf dem Gebiet der Russischen Föderation präsentiert. Erstmals wird detailliert die Rolle der Roten Armee und sowjetischer Militärärzte bei der Befreiung und Rettung jüdischer Gefangener aus Gettos und Todeslagern beleuchtet. Das erste Getto Europas, dessen Insassen dank des Heranrückens der Roten Armee am Leben blieben, befand sich in Kaluga, rund 150 km entfernt von Moskau. Der Überraschungsangriff der sowjetischen Truppen rette nach vier Wochen 250 Gettoinsassen in Ilino (heute im Gebiet Twer), die bereits zur Erschießung abgeführt wurden. Nach der Befreiung von Rostow am Don und Kalinin (Twer) wurden von November bis Dezember 1941 die Juden dieser Gebietszentren gerettet. Die Mehrheit der Juden Rostows kam jedoch während der zweiten Besatzung im August 1942 um. Etwa 3000 Bergjuden aus Kabardino-Balkarien wurden im Januar 1943 gerettet. Rund 50 000 Juden, die sich in Gettos in der rumänischen Besatzungszone auf dem Gebiet der Ukraine befanden, wurden im März 1944 befreit. Nahezu 95 000 Insassen des Budapester Gettos kamen nicht nur dank der Hilfe Raul Wallenbergs und anderer schwedischer Diplomaten mit dem Leben davon, sondern vor allem aufgrund der Befreiung des Gettos am 18. Januar 1945 im Zuge der Kämpfe um Budapest.
Mehrere Zehntausend Juden wurden durch die Soldaten und Ärzte der Roten Armee in den Konzentrationslagern auf dem Gebiet Polens, Deutschlands und der Tschechoslowakei gerettet: Majdanek (Juli 1944), Groß-Rosen (Februar 1945), Sachsenhausen und Ravensbrück (April 1945), Stutthof und Theresienstadt (Mai 1945).
Einen besonderen Platz nimmt bei der Ausstellung die Geschichte der Rettung der Häftlinge des schrecklichsten aller nationalsozialistischen Todeslager Auschwitz ein, wo rund eine Million Menschen umkamen, von denen 9/10 Juden waren. 1940 als Konzentrationslager gegründet, wurde das nahe der Stadt Oswiecim gelegene Auschwitz ab März 1942 zum Zentrum der Vernichtung der Holocaustopfer. Das schnelle Vorrücken der Roten Armee zwang die Nazis Mitte Januar 1945, mehr als 50.000 Gefangene nach Deutschland zu bringen, von denen zahlreiche auf diesen so genannten „Todesmärschen“ umkamen. Im Lager verblieben etwa 7.000 kranke und arbeitsunfähige Häftlinge, die der unweigerliche Tod erwartete. Als das Kommando der 1. Ukrainischen Front von der Existenz des Lagers erfuhr, änderte es den Plan der Weichsel-Oder Operation, was den Gefangenen in Auschwitz das Leben rettete. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Mediziner, die durch die Heilung von Überlebenden der Blockade Leningrads über Erfahrung mit Dystrophiepatienten verfügten.
Der Internationale Holocaustgedenktag wird nach dem Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 27. Januar begangen, dem Tag, an dem 1945 Auschwitz befreit wurde. In den Kämpfen um das Lager kamen 350 Soldaten und Offiziere der Roten Armee um. Leider ist über die Geschichte der Befreiung und Rettung der Gefangenen in unserem Land wie auch international deutlich weniger bekannt als über die Verbrechen der Nazis. Auch die Tatsache, dass die Vernichtung der deutschen Juden in den besetzten Gebieten der Sowjetunion begann, ist im Bewusstsein vieler Menschen wenig präsent.
Die Ausstellung greift dies auf und zeigt dabei nicht nur den Maßstab und die Gräuel des Holocaust, sondern erzählt auf der Basis von Briefen, Tagebüchern und Erinnerungen die Schicksale der Befreier und der von ihnen geretteten Häftlinge. Unter den in Auschwitz Befreiten sind Otto Frank, Vater von Anne Frank, der ihr Tagebuch zur Veröffentlichung vorbereitete und der berühmte italienische Schriftsteller Primo Levi. Leo Baeck, Leiter der jüdischen Gemeinde Deutschlands, wurde in Theresienstadt gerettet. Die Ärztin Lidija Tichomirowa wurde zum Prototypen der Heldin des Romans und Spielfilms „Doktor Vera“. Der Sergeant Nikolaj Beljajew war nach dem Krieg an der Leningrader Staatsuniversität einer der führenden Spezialisten auf dem Gebiet des Strafrechts. Besonders erstaunlich ist das Schicksal General Fedor Krasavins, dessen Division das Zentrum der Vernichtung Auschwitz Birkenau befreite, wofür er mit dem Alexander Newskij Orden geehrt wurde, einer der höchsten Auszeichnungen der Sowjetunion. Im Vorfeld des Krieges und zu dessen Beginn war er vier Jahre im GULAG inhaftiert; offiziell rehabilitiert wurde er 1968, zwanzig Jahre nach seinem Tod.